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Christoph Ransmayr: GESTÄNDNISSE EINES TOURISTEN
Ein Verhör, S. Fischer Verlag (2004), 136 Seiten, ISBN: 3100629272.

Christoph Ransmayr: Geständnisse eines Touristen

Ein Verhör
Rezension von Günter Kaindlstorfer



Wenn es etwas gibt, das Christoph Ransmayr aus ganzer Seele haßt, dann sind das Interviews. Um sich die vom Leib zu halten, hat der 50jährige jetzt ein schmales, aber gehaltvolles Büchlein vorgelegt. Auf 140 Seiten beantwortet der Dichter da all die Fragen, die ihm in den letzten Jahren von aufdringlichen Journalisten gestellt wurden, ob die nun von "Le Monde" oder von der "Washington Post" kamen. "Wie gehen Sie mit Kritik um, Herr Ransmayr?" – "Was mögen Sie an Ihrer Wahlheimat Irland?" – "Wie ist Reinhold Messner als Bergkamerad?"

Ransmayrs heimliche Hoffnung: dass er sich solche Interviews in Hinkunft ersparen könnte. So kann man sich täuschen! Selbstverständlich muß Ransmayr weiterhin Interviews geben! Über sein neues Buch zum Beispiel. Was hat es etwa mit dem Titel auf sich – "Geständnisse eines Touristen"? Sieht sich der Reisekünstler Ransmayr tatsächlich nur als "Tourist"?

OT Ransmayr: "Niemand will Tourist sein natürlich... der alles Verständnis für das Fremde und für die Fremden entgegenbringt."

Er selbst führe eine halbnomadische Existenz, bekennt Christoph Ransmayr. Da liegt es auf der Hand, dass im neuen Buch des Dichters viel vom Reisen die Rede ist: Ransmayr erzählt vom Zauber Marrakeschs und von der abweisenden Schönheit isländischer Geröll-Wüsten, er lässt uns an den tibetanischen Bergtouren teilhaben, die er zusammen mit seinem Freund Reinhold Messner unternommen hat. Und nicht ohne Rührung erinnert sich der Dichter auch gemeinsamer Gebirgswanderungen mit einem anderen Freund: zusammen mit Claus Peymann hat Ransmayr einst so manchen Gipfel in den oberösterreichischen Kalkalpen erklommen. Ausgangspunkt war meist ein Ort namens Hinterstoder – dort verbrachte Peymann in den frühen neunziger Jahren bisweilen seinen Sommerurlaub.

OT Ransmayr: "Wir haben uns oft in Hinterstoder getroffen... hinauf zum Salzstiegjoch... ... sommerliche Bergausflüge."

Claus Peymann, ein glühender Bewunderer der Ransmayrschen Prosa, hat die sommerlichen Bergtouren mit dem Dichter ganz anders in Erinnerung: als qualvolle Exerzitien. Mit Ransmayr, dem muskelstrotzenden Bergfex, konnte der Theatermacher aus Deutschlands hohem Norden jedenfalls nicht mithalten.

Peymann: "Oft musste ich abbrechen, da war mir schwindlig. Selbst schon in Hinterstoder war\'s ja schon ab 1000 Meter aus. Da ist er gar nicht einzuholen... Wir waren am Dachstein, wir waren in der Schweiz, auch in Irland, wie er das ja auch beschrieben hat."

Ausführlich beschäftigt sich Ransmayr in seinem neuen Buch auch mit boshaften Kritikern und missgünstigen Rezensenten: Ohne dass der Dichter Namen nennen würde, kriegt etwa Gerhard Stadelmaier, Theaterkritiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", sein Fett ab. Stadelmaier hat es im Jahr 2001 gewagt, Ransmayrs Stück "Die Unsichtbare" bei den Salzburger Festspielen in Grund und Boden zu verreissen. Ransmayrs Rache: Er weist Stadelmaier in einer süffisanten kleinen Polemik nach, dass er eigentlich nicht richtig Deutsch kann.

OT Ransmayr: "Also, Abrechnung ist es ganz sicher nicht... spielerische Auseinandersetzung... Jeder, der mit seiner literarischen Arbeit an die Öffentlichkeit geht, muß sich irgendwann überlegen, wie er damit umgeht, wenn er Stimmen hört, die sagen: sei still, hör auf, du kannst das nicht, das ist Unsinn, was du sagst oder schreibst."

Christoph Ransmayr hat sich überlegt, wie er auf solche Mißfallenskundgebungen am stilvollsten reagiert. Nicht mit Amokläufen oder chevaleresken Aufforderungen zum Duell, Gott bewahre, nein, der Dichter hat eine sozial verträglichere Form der Rache entwickelt, eine Art Kritiker-Voodoo: Wer immer Ransmayr verreißt, findet sich als Karikatur in des Dichters "Zwergenkalender" wieder. Der "Zwergenkalender", das ist eine Art Notizbuch, in dem der 50jährige die inkompetentesten und niederträchtigsten Rezensenten in kleinen, satirischen Zeichnungen verhöhnt. Ransmayrs Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts.
 

Buchhinweis:
Christoph Ransmayr: GESTÄNDNISSE EINES TOURISTEN
Ein Verhör, S. Fischer Verlag (2004), 136 Seiten, ISBN: 3100629272.



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