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Hubert von Goisern

"Dem Haider sein Vater ist ein unverbesserlicher Nazi"

HUBERT VON GOISERN über den "Kuhmelcher-Jodler", sein Verhältnis zu den Beatles und seine Beziehung zu Jörg Haiders Familie in Bad Goisern. Von Günter Kaindlstorfer.

Herr von Goisern, ich entnehme der Zeitschrift "News", daß Sie soeben mit einem tragbaren Iglu die Alpen überquert hätten. War's anstrengend?

Von Goisern: Diese Tour hat nie stattgefunden. Sie war in Planung, aber einige Tage, bevor wir losgehen wollten, hat's total zu regnen angefangen. Die von "News" haben einfach Blödsinn geschrieben; sie haben diesen Treck als Tatsache dargestellt, dabei mußten wir das Ganze auf März verschieben.

Werden Sie die Alpen der Länge oder der Breite nach überqueren?

Von Goisern: Das ist auch wieder so ein Blödsinn. Von einer Alpenüberquerung war nie die Rede, wir möchten das Dachsteinmassiv packen und anschließend das Tote Gebirge überqueren, das ist alles.

Wer ist "wir"?

Von Goisern: Der Lutz Högermoser und ich.

Wer ist Lutz Högermoser?

Von Goisern: Ein irrsinnig guter Freund von mir. Der Lutz ist ein Extrembergsteiger, ein Goiserer, er hat schon den einen oder anderen Achttausender bestiegen.

Finden Sie noch Zeit für so etwas?

Von Goisern: Eine Woche in den Bergen baut mich mehr auf als ein Monat in Griechenland. Für so etwas muß ich mir Zeit nehmen.

Sie sind in Bad Goisern aufgewachsen. Welche Welt war das, die Welt Ihrer Kindheit?

Von Goisern: Eine unglaublich schöne Welt; ein bisserl eng zwar, aber mein Gott, ich habe schnell überrissen: Wenn du einen größeren Horizont gewinnen möchtest, dann mußt' halt irgendwo auffikraxeln. Das hab' ich schon als Bub am liebsten gemacht, das Auffikraxeln.

Und unten im Tal, bei Ihren Eltern, wie war das dort?

Von Goisern: Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie. Mein Vater war Abteilungsleiter bei Hoffmann & Co, meine Mutter Hausfrau.

Hoffmann & Co?

Von Goisern: Das war eine Fabrik für Kunstgraphit. Ich komme aus einer richtigen Häuslbauer-Familie.

Hat die Politik eine Rolle gespielt bei Ihnen zu Hause?

Von Goisern: Meine Eltern sind sozialdemokratisch eingestellt. Das liegt bei uns in der Familie, väterlicherseits. Mein Onkel ist SPÖ-Gemeinderat und Sportfunktionär beim ASKÖ. Ich würde sagen, mein Vater ist noch der Unpolitischste von allen. Er ist natürlich Partei- und Gewerkschaftsmitlied, aber eine richtige, offizielle Funktion wollte er nie haben.

Und die Familie Ihrer Mutter?

Von Goisern: Die kommen eher aus dem freiheitlichen Eck, vor allem mein Großvater. Dadurch, daß er Sudetendeutscher ist, tendiert er stark zur FPÖ. Mein Großvater ist ein überzeugter Freiheitlicher.

Der Jörg Haider kommt ja auch aus Goisern...

Von Goisern: Ja leider!

... obwohl er sich später zum Kärntner umgevolk hat. Haben Sie ihn jemals kennengelernt?

Von Goisern; Ich kenne den Jörg nur vom Sehen, eine richtige Bekanntschaft hat sich nie ergeben. Aber ich kenne dem Jörg seinen Vater recht gut, mein Großvater ist mit ihm befreundet, die beiden sind praktisch Nachbarn. Wenn mein Großvater Geburtstag gehabt hat oder so, ist der alte Haider immer herübergekommen und hat ein bisserl mitgefeiert.

Was für ein Mensch ist er denn, der alte Haider?

Von Goisern: Ein unverbesserlicher Nazi, unglaublich, was für ein Nazi das ist. "Du wirst sehen", hat er vor zwei, drei Jahren einmal zu mir gesagt, "die Geschichte wird dem Nationalsozialismus schließlich recht geben." Und das sagt der nicht verhärmt oder bitter, sondern mit einem Lächeln der Überzeugung. Also, der ist noch immer vom Hitler überzeugt.

Und der Jörg?

Von Goisern: Also, ich weiß genau, aus was für einer Ecke der Jörg kommt. Der Jörg hat mit der politischen Einstellung seines Vaters nie gebrochen.

Hubert, was für eine Art von Musik haben Sie als Bub gehört?

Von Goisern: Blasmusik und Operetten. Bei uns zu Hause ist den ganzen Tag das Radio gelaufen, Ö-Regional. Und da hab' ich oft das "Wunschkonzert" und solche Sendungen gehört, das hat mich ziemlich geprägt. Lehar, Strauss, ein paar leichtere Opernsachen...

Interpretiert von Rudolf Schock!

Von Goisern: Ja, genau. Fritz Wunderlich haben wir auch viel gehört zu Hause.

Was war mit den Stones, den Beatles?

Von Goisern: Die kamen erst später. Die Beatles waren ein ganz einschneidendes Erlebnis. Ich kann mich an eine kleine Szene bei uns zu Hause erinnern: Im Radio läuft "Rock'n Roll Music" und mein Vater sagt: "Des horcht si jo an, ois wann die Platten hängablieben waaa." Ich war damals schon voll drauf. Ich hab' gesagt: "Wahnsinn, a total neia Sound!"

Die Menschen in Goisern waren auf die Beatles nicht so gut zu sprechen?

Von Goisern: Nein, überhaupt nicht. Und das hat meine Faszination noch verstärkt. Ich hab' mir gedacht: Das muß ja ganz was Schräges sein, wenn alle so schimpfen.

Was kam nach den Beatles?

Von Goisern: The Who, John Mayall, Pink Floyd.

Wann haben Sie selber zu Musizieren begonnen?

Von Goisern: Mit zwölf hab' ich bei der Blasmusik angefangen. Trompete.

Ihre Blasmusik-Karriere ist dann recht abrupt zu Ende gegangen, habe ich gelesen...

Von Goisern: Ja, das stimmt, ich hatte schwere Differenzen mit dem Kapellmeister, ich war zu widerspenstig. Bei der Blasmusik mußt du erst einmal zehn Jahre dienen, bevor du den Mund aufmachen darfst. Und die Trinkkultur hat mir auch nicht behagt.

Das Saufen nach der Probe.

Von Goisern: Gesoffen hat man überall, nach der Probe, während der Probe, vor der Probe – und bei den Konzerten sowieso.

Wie beurteilen Sie das Goiserer Blasmusikwesen im Rückblick?

Von Goisern: Ich hab' dort unheimlich viel gelernt. Es gibt in Goisern sieben, inzwischen, glaub' ich, nur mehr sechs Kapellen, und nachdem ich rausgeschmissen wurde, bin ich zu einer anderen Kapelle hin, und da gab es einen wahnsinnig netten Kapellmeister, der hat zu mir gesagt: "I hab' g'hört, du bist aussig'flog'n, also, wenn du willst, kannst ein Instrument von uns hab'n." Der hat mich richtiggehend protegiert.

Sie haben dann bei der anderen Kapelle mitgespielt?

Von Goisern: Nein, überhaupt nicht. Die haben mir einfach nur das Instrument zur Verfügung gestellt. Das Ganze war insofern verschärft, als dieser Kapellmeister schwul war. Das hat jeder in Goisern gewußt, aber wehe, wenn du das ausgesprochen hättest, dann wäre der Bär los gewesen! Auf jeden Fall haben alle in Goisern geglaubt, daß ich auch schwul wäre.

Sind Sie's?

Von Goisern: Nein. Ich hab' das damals halt einfach nicht abgeschnallt.

Sie haben dann acht Jahre im Ausland verlebt, in Afrika, Asien, Kanada. Wie muß man sich den Hubert von damals vorstellen. Als Tramper mit Rucksack und Gitarre?

Von Goisern: Nein, überhaupt nicht. Ich habe meine sieben Zwetschken zusammengepackt, einen Koffer, eine Reisetasche, einen Kelomat, alles halt, wovon ich geglaubt habe, daß ich's irgendwann brauchen kann, und ich hab' gewußt, ich fahre jetzt nach Johannesburg und checke mir dort eine Arbeit. Ich wollte nicht als Tourist fahren, sondern ganz normal arbeiten und mit den Leuten leben.

Die Apartheid in Südafrika hat Sie nicht gestört?

Von Goisern: Nein, ich war ein naives Bürscherl damals. Ich hab' gar nicht gewußt, daß es sowas wie Apartheid gibt. Später war ich in Rhodesien, Mocambique, Swaziland, Botswana, Kanada, Nepal und auf den Philippinen.

Welche Jobs haben Sie dort gemacht?

Von Goisern: Ich war Chemielaborant und Handelsreisender, in Toronto habe ich dann eine Zeitlang Ski verkauft, in einem Sportgeschäft.

Es heißt, Sie hätten ein gewisses Faible für esoterische Themen. Stimmt das?

Von Goisern: Esoterisch – das ist so ein Modewort, das hat so einen Beigeschmack von oberflächlich, und das will ich nicht sein. Ich glaube an Gott, aber ich bin kein religiöser Mensch, weil ich mit Religion nichts am Hut habe. Ich bin ein spiritueller Mensch.

Versteh ich nicht. Sie sind nicht religiös, aber Sie glauben an Gott. Was soll das heißen?

Von Goisern: An den christlichen Gott kann ich nicht glauben, weil der ist maskulin. Gott kann aber keinen Penis haben. Mein Gottesbegriff läßt sich nicht definieren. Ich meditiere viel, und da schwinge ich mich auf eine bestimmte Ebene ein, das läßt sich eigentlich nicht ausdrücken.

Mitte der achtziger Jahre sind nach Wien zurückgekehrt, Sie haben im "Roten Engel" gespielt. Wie war diese Zeit?

Von Goisern: Das Publikum im "Roten Engel" ist wahnsinnig mühsam, es gibt kein mühsameres Publikum als das im "Roten Engel".

Warum denn?

Von Goisern: Die meisten Leute dort sind Selbstdarsteller. Die interessieren sich gar nicht dafür, was oben auf der Bühne passiert, die wollen einfach nur quatschen und sich jemanden aufreißen. Also, daß man diese Leute zum Zuhören bringt, ist schon eine harte Schule.

Sie sind auch als Straßenmusikant aufgetreten.

Von Goisern: Ich habe auf der Kärntner Straße gespielt, weil's mir Spaß gemacht hat. Ich hab' dort gespielt, was ich wollte, es gab keinen Chef, der mir dreingeredet hätte, der etwa gesagt hat, spiel mehr Blues oder sowas. Und das hat mir wahnsinnig viel gebracht. Ich hab' auf der Kärntner Straße auch meinen Plattenvertrag abgeschlossen: Eines Tages ist der Willi Schlager von CBS dahergekommen, hat mir seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und gesagt: "Ruf mich an, mach' ma was!"

Welche Art von Musik haben Sie dargeboten?

Von Goisern: Ich hab' Knopferlharmonika gespielt, traditionelles Liedgut, allerdings in der Manier eines Menschen, der Knopferlharmonika nie gelernt hat. Ich hab' mich geweigert, zu einem Ziehharmonika-Lehrer zu gehen.

Warum?

Von Goisern: Weil ich nicht so spielen wollte wie alle.

Sie haben sich das Knopferlharmonika-Spielen autodidaktisch beigebracht?

Von Goisern: Ich habe mir alles selber beigebracht. Ich hab' das Instrument auf eine Weise in die Hand genommen, wie's überhaupt noch nie jemand in die Hand genommen hat.

Die Volksmusik hat in unseren Breiten ein bißchen den Beigeschmack des Konservativen. In Ländern wie Griechenland oder Italien ist das anders, da steht die Volksmusik in einer rebellischeren Tradition.

Von Goisern: Diese rebellische Tradition hat's auch bei uns gegeben. Erst in der Nazi-Zeit, als die Volksmusik total verhurt worden ist, hat sich das geändert. Seither ist das Jodeln und das Knopferlharmonika-Spielen bei den jungen Leuten unten durch. Auch die fünfziger Jahre haben das ihre dazugetan, die Volksmusik zu verschandeln: Damals kam der volkstümliche Schlager auf...

Mariandl, andl, andl.

Von Goisern: Genau, durch solche Verkitschungen ist die Volksmusik völlig diskreditiert worden. Ich glaube nur, daß man heute keinen Bogen mehr um die Volksmusik zu machen braucht. Die Volksmusik an sich hat nichts Reaktionäres, sie hat etwas Traditionelles, das ist ein Unterschied. Ich selbst bin ein traditionsverbundener Mensch, mir gefällt diese Art von Musik. Ich bringe halt einen Schuß Anarchie hinein. Auf diese Art entsteht etwas Neues.

Von Goisern: Sie haben einmal gesagt: "Man darf die Volksmusik nicht der Rechten überlassen."

Von Goisern: Genau.

Was sagen die Leute vom "Goiserer Viergesang" zu Ihrer Musik?

Von Goisern: Die sind begeistert.

Das verstehe ich nicht. Ich meine, Sie bringen doch den Rap ins Jodeln!

Von Goisern: Na ja, ganz ihr Geschmack ist das natürlich nicht. Aber man muß sich auch einmal vorstellen: Ihr ganzes Leben lang sind die Leute vom "Goiserer Viergesang" vor älteren Leuten aufgetreten, da war kaum ein Junger im Publikum. Und heute müssen sie erleben, wie ihre Tradition dahinstirbt, buchstäblich ausstirbt, die "Simon-Geigenmusi" zum Beispiel, die gibt's gar nimmer. Die freuen sich natürlich, daß sich da jemand ihrer Tradition annimmt.

Sie kennen die Leute vom "Goiserer Viergesang" auch persönlich?

Von Goisern: Ja freilich, einmal hab ich den Neuper vom Viergesang gefragt, ob er mir den "Kuamöcha-Jodler" beibringt...

Den WAS?

Von Goisern: Den "Kuh-mel-cher-Jodler". So wie sie ihn singen. Weil, der Viergesang singt ihn einfach traumhaft. Das ist pure alpine Mystik, wenn'st das hörst.

Können Sie den "Kuamöcha-Jodler" inzwischen schon?

Von Goisern: Nein, der Neuper hat gesagt: "Das hat keinen Sinn, Hubert. Du mußt ihn singen, wie du ihn singst. Ich kann dir nichts lernen, beim Jodeln gibt's kein Falsch und Richtig." Also, die nehmen mich schon ernst. Letztlich hab' ich das Gefühl, daß mir der Goiserer Viergesang irrsinnig dankbar ist.

In gekürzter Fassung erschienen in "Die Presse", Wien, 20. Februar 1993.

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