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Jürgen Trimborn: DER HERR IM FRACK – JOHANNES HEESTERS
Aufbau Verlag (2003), 528 Seiten, ISBN: 3351025556.

Jürgen Trimborn: Der Herr im Frack - Johannes Heesters

Biographie
Rezension von Günter Kaindlstorfer


(Heesters singt: "Lippen schweigen")
Diese Stimme hat Millionen betört, nicht nur in den dreißiger und vierziger Jahren. Als Bonvivant vom Dienst, als Gesangsschmeichler mit Charme hat Johannes Heesters sein Publikum jahrzehntelang um den Finger gewickelt.

Der deutsche Filmhistoriker Jürgen Trimborn – vor eineinhalb Jahren mit einer fulminanten Leni-Riefenstahl-Monographie hervorgetreten – widmet jetzt auch dem Jahrhundertstar Johannes Heesters eine opulente Biographie. Am Anfang sei der Künstler seinem Buchprojekt durchaus reserviert gegenübergestanden, erzählt Trimborn, zumal der Biograph ein durchaus kritisches Buch zu schreiben gedachte. Dann aber habe sich Heesters ungewöhnlich kooperativ gezeigt. Trimborn über seine Begegnung mit dem alten Herrn:

OT Trimborn: "Ich bin auf einen Menschen gestoßen... ein sehr perfektionistischer Mensch."

Ausführlich widmet sich Trimborn in seiner Biographie den Heesterschen Kindheits- und Jugendjahren in Holland. Der Sproß einer Kaufmannsfamilie aus Amersfoort feierte schon als junger Sänger und Schauspieler beachtliche Erfolge an niederländischen Bühnen. 1934 kam er nach Wien. Der "Bettelstudent" an der Volksoper brachte den ersten spektakulären Erfolg. Bald schon war Heesters auf die Rolle des Herzensbrechers, des champagnerseligen Frauenschwarms festgelegt. Gegenüber anderen Gesangsstars jener Zeit hatte der niederländische Schmachttenor zwei entscheidende Wettbewerbsvorteile. Erstens: Er konnte auch Schauspielen. Zweitens: Er war ein wirklich fescher Kerl.

OT Trimborn: "Wenn man die anderen Tenöre... Tauber, Kipura.... war er eigentlich schon der Publikumsliebling."

Man dürfe Heesters, den Film- und Bühnenstar, nicht mit Heesters, dem Privatmann verwechseln, warnt Jürgen Trimborn:

OT Trimborn: "Heesters hat immer die gleichen Rollen... vor den Kameras dargestellt hat."

Heesters und das Dritte Reich – ein unrühmliches Kapitel in der Biographie des Schauspielers und Sängers. 1935 folgt der Operettenstar dem Ruf nach Berlin. Er wird zu einem der populärsten Unterhaltungsstars des Dritten Reichs – die Theater in Berlin und München stehen ihm ebenso offen wie die Filmstudios der UFA, in denen Heesters einen Film nach dem anderen drehen wird. Heesters\' offizielle Haltung zu den Nazis schwankt zwischen Opportunismus und fein dosierter Renitenz. So weigert sich der Sänger standhaft, in den besetzten Niederlanden aufzutreten. Dennoch: Als Widerstandskämpfer wird Jopie, der des Führers liebster Danilo war, wohl nicht in die Annalen der deutschen Unterhaltungskultur eingehen.

OT Trimborn: "Heesters hat nichts gemacht... dann eben passierte."

Eines der schwärzesten Daten in der Heesterschen Biographie war der 21. Mai 1941. An diesem Tag besuchte der Sänger zusammen mit einigen Ensemblemitgliedern des Münchner Gärtnerplatztheaters – auf Anweisung der SS – das Konzentrationslager Dachau. Mehrere Fotos belegen den Besuch des Stars im Todeslager. Heesters bestreitet bis heute, dass er damals für die SS getanzt und gesungen hätte. Jürgen Trimborn hat – trotz penibler Recherchen – nicht herausfinden können, ob Heesters dabei die Wahrheit sagt.

OT Trimborn: "Ich habe sehr intensiv geforscht... ob es den gegeben hat oder nicht. Insofern bleibt die Tatsache... Und Heesters hat immer gesagt: Ich bedaure das, und ich schäme mich dafür, dass die SS und die Nazis es geschafft haben, mich dort hinzubringen... formuliert haben."

Mit Johannes Heesters geht Jürgen Trimborn weitaus nicht so hart ins Gericht wie er es vor eineinhalb Jahren mit Leni Riefenstahl getan hat. Der 32jährige, in Köln lebende Filmpublizist bemüht sich um eine ausgewogene, eine sachliche Sicht der Dinge. Eine faire Biographie – über einen höchst umstrittenen Künstler.

Buchhinweis:
Jürgen Trimborn: DER HERR IM FRACK – JOHANNES HEESTERS
Aufbau Verlag (2003), 528 Seiten, ISBN: 3351025556.



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