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Eric Frey: SCHWARZBUCH USA
Eichborn Verlag (2004), 496 Seiten, ISBN: 3821855746

Eric Frey: Schwarzbuch USA

Rezension von Günter Kaindlstorfer

Es gibt ja einiges, was man den USA – historisch gesehen – zur Last legen kann: die Versklavung von 12 Millionen Afrikanern, die Abschlachtung von drei Millionen Ureinwohner, die Unterstützung blutrünstiger Diktatoren in Chile und anderen lateinamerikanischen Staaten, nicht zuletzt auch die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki. Eric Frey, Journalist der österreichischen Tageszeitung "Der Standard", hat in seinem "Schwarzbuch USA" ein umfangreiches Sündenregister der Vereinigten Staaten zusammengetragen. Mit plumpen antiamerikanischen Ressentiments will der 40jährige allerdings nicht in Verbindung gebracht werden.

OT Frey: "Ein Antiamerikaner, der für seine Einstellungen Munition sucht, wird in diesem Buch wahrscheinlich auf seine Rechnung kommen. Meine Einstellung ist eine andere: Ich bin seit vielen Jahren ein Freund der USA, ich habe dort gelebt, ich habe dort studiert, ich habe viele Freunde dort. Mein Ansatz war der, genau die Unterscheidung zu finden zwischen Amerika-Kritik und Antiamerikanismus. Ich wollte die Amerika-Kritik vom Antiamerikanismus befreien."

Eric Freys Buch beginnt mit dem Satz "Die Vereinigten Staaten von Amerika könnten ein wunderbares Land sein." Dann folgen 500 Seiten Kritik – der thematische Bogen reicht von der Ausrottung der indianischen Urbevölkerung bis zu Bushs Präventivkrieg gegen den Irak. Frey erweist sich als glänzender Kenner der US-amerikanischen Geschichte, er verzichtet auf wohlfeile Polemik und bemüht sich um ausgewogene Argumentationslinien. Vor allem setzt er auf die Macht der Fakten. Ein Vorwurf wird den USA immer wieder gemacht: dass sie sich weltpolitisch gern als Moralapostel gerierten, während sie im Grunde immer nur ihren wirtschaftlichen Vorteil im Auge hätten. Die Anklage lautet: "Heuchelei".

OT Frey: "Die Heuchelei ist sicher eines der Grundprobleme in den Vereinigten Staaten. Wobei einem eines klar sein muß: dass es nicht eine zynische Heuchelei sein muß. Die Amerikaner glauben selbst oft an ihre eigene Propaganda, an ihre eigenen Illusionen. Sie sind davon überzeugt, dass das, was sie tun, richtig ist."

Ausführlich beschäftigt sich Eric Frey in seinem Buch mit der paranoiden Weltsicht vieler Amerikaner. Frey ortet einen direkten Zusammenhang mit dem christlichen Fundamentalismus, der sich in den USA seit den Tagen der Pilgerväter auf eine breite Anhängerschaft stützen darf. Wer die Bibel, speziell die Offenbarung des Johannes wörtlich nimmt, wittert immer und überall eine Verschwörung des Bösen. Und gegen das Böse sind alle Mittel erlaubt, vor allem, wenn man sich selbst den Heerscharen des Guten zugehörig weiß.

OT Frey: "Die Paranoia ist nicht unbedingt ein Krankheitssymptom, es sind gesunde Menschen, um die es geht, wir haben es mit einer Grundeinstellung zu tun. Man darf nicht vergessen: Auch Paranoiker haben echte Feinde. All das, womit sich die USA auseinandergesetzt haben, das waren wirkliche Probleme und wirkliche Feinde: Die kommunistische Bedrohung gab es wirklich. Die Herausforderung durch die Al-Kaida ist real. Die Frage ist nur: Ist die Bedrohung wirklich so umfassend, wie es der, der sich als Kämpfer empfindet, gerne sieht?"

Eric Frey bringt in seinem Buch auch die innenpolitischen Sünden der USA zur Sprache: Ein Fünftel aller Kinder zwischen Seattle und Miami lebt in Armut, die Slums von Philadelphia oder L.A. halten jedem Vergleich mit der Dritten Welt mühelos stand, die Gefängisse in "God\'s own country" sind rettungslos überfüllt – auch das ein Ausdruck der sozialen Misere.

OT Frey: "Ein Staat kann nicht beides sein: Er kann nicht jedem Menschen die Möglichkeit geben, sich als kleiner Angestellter selbständig zu machen und möglicherweise eine Menge Geld zu verdienen, und dabei zugleich ein dichtes soziales Netz zu bieten, wie es viele europäische Staaten machen. Das Problem ist, dass die USA bei dieser Gratwanderung wahrscheinlich zu sehr in eine Richtung gegangen sind: das soziale Netz ist deutlich löchriger als es sein müsste. Es wäre möglich, dieses Netz dichter zu knüpfen, mehr Sicherheit zu geben, eine allgemeine Kranken- und Arbeitslosenversicherung einzuführen ohne deshalb gleich an Dynamik zu verlieren."

Eric Freys Buch endet mit einem optimistischen Ausblick: Gerade in ihren schlimmsten Krisen hätte die US-amerikanische Gesellschaft immer wieder ihre Selbstheilungskräfte mobilisiert – von der Abschaffung der Sklaverei bis hin zur Entmachtung McCarthys. Das heißt: Abgesänge auf Glanz und Glorie der Vereinigten Staaten sind bis auf weiteres verfrüht. Bis zum vielbeschworenen Untergang des amerikanischen Imperiums wird wohl noch eine Menge Wasser den Potomac hinunterfließen.


Buchhinweis:
Eric Frey: SCHWARZBUCH USA
Eichborn Verlag (2004), 496 Seiten, ISBN: 3821855746.



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