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Marlene Streeruwitz: NACHWELT.
Roman, S. Fischer Verlag (1999), 420 Seiten, ISBN: 3100744241

Wer forscht schon gerne unter Palmen?

Mit Nachwelt. legt Marlene STREERUWITZ ihren bisher ambitioniertesten Roman vor.
Rezension von Günter Kaindlstorfer


Die Bücher der Marlene Streeruwitz sind alles andere als leichte Kost. Man kann sie nicht weglesen wie die Romane Margaret Atwoods oder Donna Leons. Streeruwitz mutet ihrem Publikum etwas zu: Sie weiß, dass Literatur weh tun muss, wenn sie etwas taugen soll. Wer also von der Lektüre zeitgenössischer Prosa Entspannung, Ablenkung und Unterhaltung erwartet, ist bei dieser Autorin entschieden an der falschen Adresse. Wer aber aus ästhetischer Radikalität und sprachphilosophischer Kompromisslosigkeit Vergnügen zieht, dem wird Marlene Streeruwitz auch in ihrem jüngsten Opus mancherlei bieten.

Im Zentrum des Romans steht eine Wienerin namens Margarethe Doblinger. Die Enddreißigerin fliegt für zehn Tage nach Los Angeles, um Material für eine Anna-Mahler-Biographie zu sammeln. In L.A. trifft sie Freunde und Schüler der verstorbenen Bildhauerin, interviewt Verflossene und Verehrer. Die Puzzleteile fügen sich zu keinem kompletten Bild. Die Umrisse Anna Mahlers, der Tochter von Alma und Gustav Mahler, bleiben seltsam unscharf. Am Ende muss Margarethe Doblinger erkennen, dass das Schreiben von Biographien ein eitles Unterfangen darstellt. Es setzt Kenntnisse voraus, die man nicht haben kann. Daran vermögen auch detailversessene Recherchen nichts zu ändern.

"Nachwelt." ist der bisher umfangreichste Roman von Marlene Streeruwitz. Erstmals wagt sich die Autorin auch geographisch über die Grenzen Österreichs hinaus, ein Schritt, der zunächst nach Kalifornien, dann allerdings – wen wundert\'s – gleich wieder nach Österreich zurückführt. Sprachlich setzt Streeruwitz die Tradition ihrer früheren Romane fort: Sie schreibt spröd und schmucklos bis zur Eintönigkeit, mit jähen Rhythmuswechseln und raren poetischen Momenten.

Überzeugend ist die Konsequenz, mit der sich die Autorin einer geschlossenen Romankonzeption verweigert. Sie hat umfangreiche Originalton-Passagen in ihren Text eingebaut – Interviews mit Ernst Krenek und anderen Akteuren im Leben Anna Mahlers. Die verschiedenen Stimmen sind auf geschickte Weise in das Romanganze eingewoben.

Am Ende des Romans wird ihre Protagonistin Margarethe Doblinger nach Wien zurückkehren – um einige Einkäufe und ein paar Erfahrungen reicher. Im sonnigen Kalifornien hat sie wenig über Anna Mahler und viel über sich selbst erfahren. "Nachwelt." ist die unsentimentale, präzise beobachtete Selbstfindungsgeschichte einer Frau.

Buchhinweis:
Marlene Streeruwitz: NACHWELT.
Roman, S. Fischer Verlag (1999), 420 Seiten, ISBN: 3100744241.



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