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Alles Gute, Hermes Phettberg!

Eine Laudatio auf HERMES PHETTBERG anläßlich der Verleihung des Publizistikpreises der Stadt Wien

Lieber Hermes Phettberg!
Sehr geehrter Herr Stadtrat!
Honoratiorinnen und Honoratioren!
Schwestern und Brüder!


"Bei aller sauren Arbeit stellt sich Gewinn ein", heißt es in den Sprüchen Salomonis. Diesen Gewinn zu lukrieren, sind Sie heute hier, sehr geehrter Herr Phettberg, und mir fällt die Aufgabe zu, Sie mit Menschen- und Engelszungen zu loben, auf daß Sie teilsaniert, erquickt und seelisch gelabt nach Hause gehen. Ich hole mir Hilfe von einem Ihrer publizistischen Weggefährten: "Was soll ich an Phettberg loben?", fragte ich Armin Thurnher, den Herausgeber jener Wochenschrift, die es seit mittlerweile 26 Jahren in heroischem Alleingang schafft, dass man nicht gänzlich verzweifelt an der publizistischen Kultur dieses Landes. "Was soll ich loben an Phettberg?" fragte ich Thurnher. "Lob die literarische Qualität seiner Texte", riet der Herausgeber des "Falter" am Telefon, "Phettberg ist ein echter Dichter. Er versteht aus seiner Weltverzweiflung funkelnde literarische Kleinodien zu fertigen. Lob die Konsequenz und Beharrlichkeit, mit der er sich einem angepassten Leben verweigert."

Gelobt sei die literarische Qualität Ihrer Texte, sehr geehrter Herr Phettberg! Gelobt sei die Radikalität, mit der Sie Ihre Einsamkeit, Ihre seelischen Qualen und Obsessionen zum Thema machen, gelobt seien Ihre Larmoyanz und der herzerfrischende Hang zur Geschmacklosigkeit, der Ihre Texte auszeichnet, gelobt sei vor allem auch der Humor, mit dem Sie den abgründigen Seiten des Daseins in bester katholischer Tradition doch noch etwas wie Erträglichkeit abzugewinnen verstehen. Sie sind sich dabei über die Jahre und Jahrzehnte hinweg bemerkenswert treu geblieben: Von Ihren publizistischen Jünglingsjahren beim "Meidlinger Kolpingkurier" über Ihre Tätigkeit als Aktionskünstler und Aktivist der "Libertinen Sadamaochismusinitiative Wien" sowie der "Polymorph Perversen Klinik" bis hin zu Ihren spektakulären Fernseherfolgen im ORF und Ihrem Wirken als Seelsorger vom Dienst im "Falter". Lauter beachtliche Leistungen fürwahr!

"Aber ach, auch beim Lachen kann das Herz voll Gram sein", heißt es in den "Sprüchen", Kapitel 14, Vers 13 – und was das bedeutet, ein Herz voller Gram, das veranschaulichen Sie uns Woche für Woche in Ihren Kolumnen. Sie scheuen dabei auch vor intimsten Geständnissen, vor anmutigen blasphemischen Kapricen nicht zurück, man mag das goutieren oder nicht, von radikaler Aufrichtigkeit sind Ihre Texte jedenfalls immer. Manch einen, manch eine mag das schockieren. Im "Falter" 11/03 lassen Sie uns beispielsweise in schonungsloser Offenheit – ich zitiere diesen Text, um den thematischen Radius Ihres Wirkens kurz zu skizzieren – im "Falter" 11/03 lassen Sie uns etwa in schonungsloser Offenheit an der Liebe zu Ihrem "Brunzküberl" teilhaben. "Wo sonst nichts ist", schreiben Sie da, "kein Gott, kein Mensch, kein Sinn, halte ich mich an meinem Brunzküberl fest." Eine provozierende Radikalität im Angesicht der Gottesverlassenheit, eine spirituelle Beharrlichkeit, die an die theologische Kompromisslosigkeit der großen Mystiker denken lässt.

Letztens traf ich Kurt Palm, sehr geehrter Herr Phettberg, den Mit-Entwickler der "Nette-Leit-Show". Was soll ich an Phettberg loben, fragte ich Palm. "Lob seine Radikalität", sagte Palm: "Hermes ist radikal bis zur Selbstzerstörung. Lob seine Echtheit. An ihm ist alles echt, nichts gekünstelt." Ich denke, dass Ihr langjähriger Dominator da Recht hat, lieber Herr Phettberg. An Ihnen ist alles echt, nichts gekünstelt, nicht einmal, wenn Sie im Fernsehen auftreten. Deshalb soll an dieser Stelle auch Ihr televisionäres Wirken laudiert werden. Mit der "Nette-Leit-Show" haben Sie dem Niedergang der nationalen, was sage ich, der transnationalen Fernsehkultur eindrucksvoll entgegengewirkt. Sie haben der veraesken Glätte unserer Hauptabendprogramme televisionären Eigensinn, televisionäre Eigenart entgegengesetzt. Es gibt viele Menschen in diesem Land, Tausende und Zehntausende sind es, die der "Netten-Leit-Show" bittere Zähren nachweinen. Wo sind die göttlichen Brüder Poulard geblieben, fragen viele. Wo die wackeligen Polaroidfotos Ihres Assistenten Robin? Warum findet weit und breit kein anständiges Dosenschießen mehr statt? Ach ja, die Herrlichkeit der Erden, muß Rauch und Aschen werden, beklagt ein großer Dichter des Barock.

Damit sind wir, Sie merken es schon, beim Thema Katholizismus angelangt. "Hermes Phettberg und der Katholizismus, das gehört zusammen wie Hostie und Monstranz", sagte der Dichter Franzobel, als ich ihn im Rahmen meines prälaudatorischen Rundrufs zu Ihren Qualitäten befragte, sehr geehrter Herr Phettberg. Was soll ich an Phettberg loben, fragte ich Franzobel, den Verfasser eines vielbeachteten Theaterstücks über Sie. "Stell eine Beziehung her zwischen Phettberg und den großen katholischen Schriftstellern dieses Landes", riet Franzobel: "Rück ihn in eine Linie mit den beiden bedeutendsten Bußpredigern des süddeutsch-österreichischen Raums, mit Abraham a Sancta Clara und Adolf Holl."

Ich weiß nicht, ob das die Linie ist, in der Sie sich selbst verorten würden, sehr geehrter Herr Phettberg. Ich meine, für den langen Marsch zu sich selbst, den Sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten angetreten haben, für diesen Marsch sind die ruhmreiche Wiener Kleinkunst und der nicht minder ruhmreiche Wiener Aktionismus ebenso bedeutsam wie das katholische Erbe, das Ihnen, dem gebürtigen Weinviertler, von Ihrer Frau Mutter unglückseligerweise – oder vielleicht auch glückseligerweise, je nachdem – mit auf den Lebensweg gegeben wurde.

Sei's, wie es sei, Franzobel hat mich gebeten, auch Ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit zur Sprache zu bringen. Zitat Franzobel: "Hermes liebt es, mit der Öffentlichkeit zu kopulieren. Auf dem Höhepunkt der 'Nette-Leit-Show-Hysterie' hat es der 'Kulttaker der Nation' unglaublich genossen, von der Öffentlichkeit sozusagen sodomisiert zu werden." Soweit Franzobel. Hermes Phettberg und die Öffentlichkeit – das ist eine wahrhaft komplexe Beziehung. Ob Sie uns an den imaginierten Exzessen und Ekstasen Ihres Innenlebens teilnehmen lassen, sehr geehrter Herr Phettberg, ob Sie sich im Rahmen öffentlicher Happenings publikumswirksam auspeitschen lassen oder ob Sie, wie 1997 geschehen, die Bildungsschichten dieses Landes monatelang in Atem halten, indem sie die Nation an einem spektakulären "Work in Progress" Anteil nehmen lassen: dem Aufräumen Ihrer Wohnung – immer beziehen Sie die Öffentlichkeit als devot umschmeichelten Ersatzpartner in Ihre Inszenierungen mit ein. Das ist nichts, was zu loben wäre, es ist einfach festzustellen. Wir wissen praktisch alles über Sie, Herr Phettberg, oder zumindest haben wir die Illusion, alles zu wissen: Wir sind bis ins letzte Detail über Ihre Gewichtsprobleme und Ihre sexuellen Präferenzen informiert, wir wissen um Ihr Faible für knackige Jeansboys und Ihre Suchtgewohnheiten in Bezug auf Essen und Fernsehen. Das alles wirkt sich, jetzt kommt eine These, die ich dem bislang noch unbekannten Phettberg-Experten Wolfgang G. verdanke, das alles wirkt sich sozialpsychologisch reinigend und unglaublich entlastend auf das öffentliche Leben aus.

Wer ist, so mögen Sie fragen, Wolfgang G.? Wolfgang G. ist einer meiner ältesten Freunde, keine Berühmtheit, ein bescheidener Phettberg-Leser, im Zivilberuf Sachbearbeiter im "Wiener Arbeitnehmerförderungsfonds", Verwendungsgruppe 6. Als ich mir gestern abend letzte telefonische Ezzes für meine Lobrede holte, setzte mir Wolfgang G. seine Phettberg-Theorie auseinander. Im wesentlichen läuft sie auf folgende Hauptthese hinaus: Indem Phettberg seine Schwächen öffentlich macht, übt er eine wichtige sozialtherapeutische Funktion aus. Hermes, der Schmerzensmann, der notorisch leidende Negativchristus, Phettberg führt den Menschen vor Augen, dass sie nicht allein sind mit ihren Schwächen und Unvollkommenheiten. Darüber hinaus bietet er uns allen einen nicht zu unterschätzenden Trost: dass es mit ihm noch schlechter steht als mit uns. Auf diese Weise, so meint mein Freund Wolfgang G., wirkt Hermes entlastend.

Ich weiß nicht, ob diese Theorie eine gewisse Stichhaltigkeit für sich beanspruchen kann, sehr geehrter Herr Phettberg, ich weiß nur, daß das öffentliche Leben in dieser Stadt, in diesem Land um vieles ärmer wäre ohne Sie. Die Beharrlichkeit, mit der Sie sich der pseudo-dynamischen Leistungsgesellschaft unserer Tage verweigern, Ihr unermüdlicher Einsatz für die Rechte der sexuell Unattraktiven, Ihre Resistenz gegen die Diktatur der Weight Watchers – das alles ist Grund genug, Sie mit einem hohen Preis auszuzeichnen. Was Sie aber – neben Ihren Leistungen als Kolumnist und Fernsehstar – wirklich und wahrhaftig zum Träger eines der renommiertesten Publizistikpreise dieses Landes prädestiniert, ist ein Medienhappening, das Sie vor genau elf Jahren inszeniert haben: Damals schritten Sie zur öffentlichen Bekotung der Zeitschriften "Wiener", "Basta" und "News". Allein dafür würde Ihnen nach Einschätzung renommierter Medien-Experten nicht nur der Publizistikpreis der Stadt Wien gebühren, sondern im Grunde auch das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und der Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie der evangelischen Diakonie.

Ich komme zum Schluß, sehr geehrter Herr Phettberg. Im "Falter" vom 7. Mai 2003 haben Sie einen verzweifelten Appell an Ihre Leser gerichtet. Eindringlich beschreiben Sie die Einsamkeit, die Menschen- und Gottesverlassenheit, in der Sie zu leben gezwungen sind. Sie hielten das alles nicht länger aus, schreiben Sie, und man glaubt Ihnen aufs Wort. "Den heurigen Sommer möchte ich in einem Folterkeller verbringen mit täglichem Whipping und Spanking", schreiben Sie da: "Ich wünsche mir einen 'Jeansboy mit Herz', der mich aus meiner Einsamkeit erlöst."

Anläßlich der Verleihung des Publizistikpreises der Stadt Wien wünsche ich Ihnen, sehr geehrter Herr Phettberg, daß sich Ihre Wünsche erfüllen mögen. Ich wünsche Ihnen ein, zwei, viele Jeansboys mit Herz, die Sie nach allen Regeln der Kunst "Whippen" und "Spanken" mögen, was immer man sich darunter im Detail auch vorzustellen hat. Der Publizistikpreis der Stadt Wien geht in diesem Jahr an einen wahrhaft Würdigen. In diesem Sinne: Alles Gute, Hermes Phettberg!

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Gehalten am 15. Mai 2003 im Wiener Rathaus.


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